Maria Lassnig
Es sind tiefgreifende Empfindungen, die im Zentrum des Schaffens von Maria Lassnig (1919–2014) stehen. Das Sichtbarmachen von körperlichen Emotionen und das Nachspüren der Körperwahrnehmung bilden den Mittelpunkt ihrer Body-Awareness-Arbeiten. Humorvoll und ernst, sehnsuchtsvoll und gnadenlos bannte die österreichische Künstlerin ihre Selbstempfindung auf das Papier. Nicht was sie sah, sondern wie sie sich spürte, wurde zum Bild. Parallel zu ihrer introspektiven Körperwahrnehmung blieb Lassnig im Aussen verankert. Ihre Porträts basieren auf gründlichem Studium der Realität. Dennoch gehen die sensiblen Beobachtungen von Tieren und Menschen weit über die Wiedergabe des rein Sichtbaren hinaus und enthalten das Wesentliche der jeweiligen Charaktere und spüren dem Einzigartigen im Gegenüber nach.
Diese Zwiesprache mit innen und aussen, mit Gefühlswelten und Realitäten, entwickelte Lassnig besonders anschaulich auf dem Papier. Die Zeichnung wird als intimes Medium zum Experimentierfeld spontan gesetzter Linien und Farbfelder. Sie eröffnet neue Perspektiven und erschliesst sich neue Themen. Trotz aller Intimität des Zeichnerischen tendiert die Künstlerin dazu, Werke auf Papier in monumentalen und bildgleichen Kompositionen anzulegen. Längst ist die Idee der Skizze und des ersten Entwurfs bei Lassnig gesprengt und in eine autonome künstlerische Aussage auf Papier verwandelt. Schliesslich geht auch ihre Malerei in der Intensität der Zeichnung, der Energie der einzelnen Linie wie auch der Strahlkraft der Aquarelle sicht- und spürbar weiter.
Maria Lassnig zählt mit Louise Bourgeois, Joan Mitchell und Agnes Martin zu den wichtigsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts. Bereits früh machte sie ihren eigenen Körper zum Mittelpunkt ihrer Kunst, lange bevor Körperbewusstsein und das Verhältnis von Mann und Frau zentrale Themen der internationalen Avantgarde wurden.
Quelle:
Kunstmuseum Basel | MARIA LASSNIG - ZWIEGESPRÄCHE | 12.05.2018–26.08.2018 / KURATORIN: DR. ANITA HALDEMANN
Artikel:
Kompromisslose Körperkunst | Das Kunstmuseum Basel zeigt Maria Lassnigs mitunter verstörende Grafiken | Maria Becker | NZZ Samstag, 2. Juni 2018
Bild:
Maria Lassnig, 'Kopf (Head)' (film still), mid-1970s. Maria Lassnig Foundation